
Ein neuer Etappentag – Einstieg & Stimmung
Der Tag beginnt in Villafranca del Bierzo, wo sich die Paläste der Calle del Agua und die romanische Kirche Santiago noch im Morgenlicht sonnen. Du verlässt das Bierzo-Tal – ein fruchtbares Paradies voller Wein, Kastanien und Geschichte – und machst dich auf den Weg in die Berge. Heute liegt eine Schlüssel-Etappe vor dir: fast 28 Kilometer, die dich über Flusstäler und Dörfer langsam, aber unaufhaltsam zum legendären O Cebreiro führen.
Es ist nicht nur ein physischer Anstieg, sondern auch ein geistiger Übergang: Mit jedem Höhenmeter näherst du dich Galicien, jener mystischen Landschaft, die seit Jahrhunderten Pilger mit Nebel, Legenden und Spiritualität empfängt. O Cebreiro – das Tor zu Galicien – wird nicht einfach ein Ziel sein, sondern ein Höhepunkt deiner gesamten Pilgerreise.
Strecke & Höhenprofil
- Distanz: 27,7 km
- Höhenmeter: ca. +950 m / –200 m
- Schwierigkeit: hoch
- Charakter: lange, stetige Anstiege, ab Las Herrerías steil und fordernd, letzte Kilometer alpines Berggefühl
Die Etappe beginnt fast harmlos – eben entlang der N-VI – und endet in einem langen, harten Aufstieg. Wer Kräfte sparen möchte, kann die Etappe teilen und in Orten wie Trabadelo, Vega de Valcarce, Ruitelán oder Las Herrerías übernachten.





















Varianten
- Camino oficial: durch das Tal des Río Valcarce, entlang kleiner Ortschaften, stets mit Einkehrmöglichkeiten.
- Camino duro: ab Villafranca über Pradela (Variante mit großem Höhenunterschied und Panoramen über das Bierzo). Nur für sehr fitte Pilger zu empfehlen.
Beschreibung des Weges – mit allen Sinnen
Schon kurz hinter Villafranca del Bierzo begleitet dich der Río Valcarce, während der Camino sanft entlang der N-VI ansteigt. Die ersten Kilometer führen dich in eine grüne, enge Tallandschaft, in der die Hänge langsam näher rücken und die Wälder dichter werden. Das leise Murmeln des Flusses begleitet deine Schritte, während die Stadtränder hinter dir verblassen.
Bald erreichst du Pereje, ein stilles Dorf, das mit seiner Magdalena-Kirche und den alten Gassen mittelalterliche Atmosphäre atmet. Das Leben hier scheint entschleunigt, und für einen Moment tauchst du in eine vergangene Zeit ein. Der Fluss bleibt dein Begleiter, während du weiter nach Trabadelo wanderst. Dieser Ort wirkt lebendiger, mit Bars und kleinen Geschäften. Schon im Mittelalter gab es hier mehrere Pilgerhospitäler – heute lädt die Kirche San Nicolás dazu ein, kurz innezuhalten, bevor der Weg sich wieder ins Tal zurückzieht.
Je weiter du dich ins Valcarce hineinbewegst, desto enger wird es. In La Portela de Valcarce verengt sich das Tal sichtbar – ein „schmaler Durchgang“, der seinem Namen alle Ehre macht. Die Berge scheinen näher zu rücken, und du spürst, dass die Ebene des Bierzo endgültig hinter dir liegt. Kurz darauf erreichst du Ambasmestas, wo der Río Balboa in den Valcarce mündet. Die kleine Kirche San Pedro erinnert ebenso wie die Spuren der alten Römerstraße daran, dass hier schon seit Jahrtausenden Wege zusammenfinden.
Die folgenden Kilometer führen dich nach Vega de Valcarce, einem Ort mit bewegter Geschichte. Über den Ruinen der Burg wachte einst ein Kastell, das sogar Karl V. als Nachtquartier diente. Während du durch die Gassen gehst, spürst du, dass der eigentliche Anstieg näher rückt. In Ruitelán scheint die Zeit beinahe stillzustehen. Die Legende vom Einsiedler San Froilán verleiht dem Dorf eine spirituelle Tiefe, die dich noch einen Moment verweilen lässt.
Hinter Las Herrerías, einem Dorf, das einst für seine Schmieden berühmt war, beginnt die eigentliche Herausforderung des Tages. Ein alter Brückenbogen und die klare Dorfquelle erzählen Geschichten vergangener Zeiten – doch für dich zählt hier vor allem, Wasser aufzufüllen und Kraft zu sammeln. Denn von nun an steigt der Weg steil und unnachgiebig an.
Über Serpentinen windet sich der Camino durch Kastanien- und Eichenwälder bergauf. In La Faba trittst du aus dem Schatten des Waldes heraus in ein Dorf, das sich idyllisch an den Hang schmiegt. Die Kirche San Andrés lädt zur stillen Einkehr ein, und für viele Pilger ist dies der letzte Rastpunkt, bevor sie das finale Stück in Angriff nehmen. Noch einmal steigt der Weg steil, und bald schon erreichst du La Laguna de Castilla – den letzten Ort in Kastilien-León. Hier liegt Galicien bereits zum Greifen nah.
Hinter dem berühmten Steinmonument, das die Grenze markiert, erwarten dich die letzten Meter Aufstieg. Vorbei am Monumento al Gaiteiro, das an die Legende eines deutschen Pilgers erinnert, der sich vom Klang einer Dudelsackflöte leiten ließ, kämpfst du dich Schritt für Schritt weiter. Mit brennenden Muskeln und pochendem Herzschlag setzt du einen letzten Schritt – und stehst schließlich auf 1.300 Metern Höhe, am Eingang zu O Cebreiro.
Ankunft in O Cebreiro – Tor zu Galicien
O Cebreiro ist mehr als nur ein Etappenziel. Es ist ein mythischer Ort, der seit Jahrhunderten Pilger in seinen Bann zieht. Die kleine Siedlung empfängt dich mit einer Mischung aus archaischer Einfachheit und tiefer Spiritualität. Zwischen den uralten Pallozas, den strohgedeckten Rundhäusern der Keltenzeit, weht der Wind, als würde er Geschichten vergangener Jahrhunderte zuflüstern. Hier lebten einst Menschen und Tiere unter einem Dach – ein Sinnbild für das karge, aber gemeinschaftliche Leben in den Bergen.
Das spirituelle Herz des Ortes ist die Iglesia Santa María la Real, eine der ältesten vorromanischen Kirchen Spaniens. In ihr wird das „Santo Milagro“ bewahrt – das eucharistische Wunder des 14. Jahrhunderts, bei dem Hostie und Wein sich sichtbar in Fleisch und Blut verwandelten. Der schlichte Bau aus Stein strahlt eine Kraft aus, die Pilger seit Jahrhunderten bewegt. Viele verweilen hier lange, entzünden Kerzen, lassen die Stille wirken.
Auch das Museo Etnográfico, untergebracht in einer der Pallozas, erzählt vom Leben der Bergbewohner, von Entbehrung, aber auch von der engen Verbundenheit zur Natur. Und wenn sich am Abend die Sonne hinter den galicischen Bergen senkt und die Nebel wie Wellen durch die Täler ziehen, wird dir bewusst, dass du einen besonderen Moment des Camino erlebst. O Cebreiro ist kein gewöhnliches Dorf – es ist ein Tor, ein Übergang, ein Ort, an dem Geschichte, Glaube und Natur eins werden.
Zwischenorte & Besonderheiten
Ort | Distanz ab Villafranca | Besonderheit | Tipp |
Pereje | 5,7 km | Kirche Magdalena, mittelalterlicher Charakter | Kurze Pause am Fluss |
Trabadelo | 9,7 km | San Nicolás, alte Hospitäler | Rast & Proviant |
La Portela | 14,2 km | „Engpass“ des Tals, alte Eisenwerke | Kaffee an der Tankstelle |
Ambasmestas | 15,4 km | Flussmündung, römische Reste | Ruhiger Übergang |
Vega de Valcarce | 17 km | Burgruinen, Karl V. | Kleine Pause |
Ruitelán | 19,2 km | San Froilán, alte Kirche | Spiritueller Moment |
Las Herrerías | 21,1 km | Schmiedetradition, römische Brücke | Letzter Stopp vor dem Aufstieg |
La Faba | 23,7 km | Kirche San Andrés, Panoramablick | Verschnaufpause |
La Laguna | 26,3 km | letzter Ort in León | Kräfte sammeln |
O Cebreiro | 27,7 km | Pallozas, Kirche, Wunderkelch | Tagesziel |
Pack- & Proviantipps
- Früh starten, um die Hitze im Aufstieg zu vermeiden.
- Genug Wasser mitnehmen (ab Las Herrerías bis O Cebreiro kaum Versorgung).
- Energiesnack oder Schokolade bereithalten für die letzten 6 km.
- Warme Kleidung: O Cebreiro liegt hoch, abends oft windig und kühl.
Einkehr & Übernachtung
Alle Orte der Etappe bieten Unterkünfte und Bars. Besonders charmant:
- Casa Susi (Trabadelo) – familiäre Albergue mit Herz.
- Las Herrerías – kleine Landhotels, perfekt zum Aufteilen der Etappe.
- La Faba – stille Herberge am Hang, sehr spirituell.
- O Cebreiro – großes Pilgeralbergue (104 Plätze), dazu Pensionen und charmante Landhäuser.
Kulinarisches
Hier beginnt Galicien – und das schmeckt man:
- Queso do Cebreiro (D.O.) – weicher, frischer Käse, oft mit Honig.
- Pote Gallego – deftiger Eintopf mit Kohl, Kartoffeln und Schweinefleisch.
- Porco Celta – Fleisch einer uralten Schweinerasse.
- Süßes mit Kastanien und Honig – ein Hochgenuss nach dem langen Anstieg.
Das Besondere heute
Diese Etappe ist mehr als ein Anstieg – sie ist ein Übergang. Von den weiten Ebenen des Bierzo-Tals in die magischen Berge Galiciens. Von Wein und Kastanien zu Nebel, Mystik und Legenden.
O Cebreiro ist ein heiliger Ort: Hier wurde das erste Jakobskreuz (Cruz de Santiago) geformt, hier verweilten Könige, und hier finden Pilger seit Jahrhunderten Inspiration.
Ganz besonders ehrfurchtsvoll steht man in der kleinen Iglesia Santa María la Real, wo sich der Santo Grial de O Cebreiro befindet. Dieser Kelch ist mit einer Legende verbunden, die als „Santo Milagro“ in die Pilgergeschichte einging: Ein frommer Priester, der an der wahren Gegenwart Christi im Brot zweifelte, erlebte während der Messe, wie Hostie und Wein sich sichtbar in Fleisch und Blut verwandelten. Dieses eucharistische Wunder machte O Cebreiro zu einem Zentrum der Verehrung und ist bis heute ein Symbol für Glaube, Hoffnung und die Kraft des Camino.
Reflexion am Etappenende
Am Abend, wenn der Nebel über den Bergen tanzt und die Pallozas sich wie uralte Wächter an den Hang schmiegen, wirst du spüren: Dies war ein Tag der Wandlung. Der Camino hat dich geprüft – mit Ausdauer, Geduld und Schweiß. Doch die Belohnung ist gewaltig: der Blick von O Cebreiro, das Gefühl, Galicien erreicht zu haben, und die Ahnung, dass Santiago näher rückt.
📊 Tabellarische Übersicht
Etappe | Start | Ziel | Distanz | Höhenmeter | Schwierigkeit | Zwischenorte |
27 | Villafranca del Bierzo | O Cebreiro | 27,7 km | +950 m / –200 m | hoch | Pereje, Trabadelo, La Portela, Ambasmestas, Vega de Valcarce, Ruitelán, Las Herrerías, La Faba, La Laguna |
🌌 Camino der Sterne:
Villafranca → Pereje → Trabadelo → La Portela → Ambasmestas → Vega de Valcarce → Ruitelán → Las Herrerías → La Faba → La Laguna → O Cebreiro
Hast du schon einmal den Nebel in O Cebreiro erlebt? War es die Stille der Berge oder die Spiritualität der Kirche Santa María la Real, die dich am meisten berührt hat? Teile deine Erinnerungen – sie machen den Camino lebendig.