
Ein neuer Etappentag – Einstieg & Stimmung
Carrión de los Condes, das geistige Herz der Tierra de Campos, entlässt die Pilger in die endlose Weite der kastilischen Hochebene. Schon beim ersten Schritt hinaus aus der Stadt spürt man den Wechsel: das geschäftige Leben der Stadt fällt zurück, vor dir öffnet sich die Linie des Horizonts – schnurgerade, unendlich, von Getreidefeldern und kargen Winden geprägt. Diese 17. Etappe gilt als eine der stillsten und zugleich forderndsten auf dem Camino Francés: nicht durch Höhenmeter, sondern durch ihre scheinbare Endlosigkeit.
Die Stille der Meseta ist eine Einladung, die Gedanken weit werden zu lassen. Hier, wo Himmel und Erde sich fast berühren, begleitet dich nur das Knirschen deiner Schritte und das rhythmische Schlagen deines Herzens.
Strecke & Höhenprofil
- Distanz: 23,4 km
- Höhenmeter: +120 m / –110 m
- Schwierigkeit: mittel/leicht
- Charakter: Extrem lange, gerade Wege ohne Schatten; psychisch fordernd durch 17 km „leere“ Strecke bis Calzadilla de la Cueza. Danach sanfte Wellen und ruhige Wege entlang der N-120.







Varianten & Hinweise
- Versorgung: Zwischen Carrión de los Condes und Calzadilla de la Cueza (17 km) gibt es keinerlei reguläre Infrastruktur. Nur ein saisonaler Container-Kiosk (April–Oktober, ca. 8 km hinter Carrión, geöffnet von 7–14 Uhr) bietet Getränke und Snacks. Wasser, Sonnenschutz und Proviant sind Pflicht.
- Mobilität: Für Pilger mit Einschränkungen ist der parallele Weg zur N-120 eine Alternative, da Schotter und Matsch stellenweise Probleme bereiten können.
- Radpilger: Profitieren von der ebenen Strecke, müssen aber auf lose Steine und Verkehrsnähe achten.
Beschreibung des Weges – mit allen Sinnen
Hinter Carrión führt der Camino zunächst zur Kirche Santiago und über den Río Carrión. Gleich zu Beginn lädt der Blick auf das ehemalige Kloster San Zoilo zum Staunen ein – heute ein Hotel, einst eine der bedeutendsten Abteien der Region.
Bald schon tauchst du ein in die berühmte „Wüste der Meseta“. Die Vía Aquitana, eine antike römische Handelsstraße, liegt dir zu Füßen – seit 2000 Jahren von Millionen Füßen beschritten. Sie führt dich durch schnurgerade Wege, vorbei an Feldern, an stillen Bächen und an der Fuente del Hospitalejo, einer Quelle, die seit Jahrhunderten Pilgern Erfrischung spendet.
Nach endlos erscheinenden Stunden erhebt sich endlich der Turm von Calzadilla de la Cueza am Horizont. Ein winziges Dorf mit kaum 50 Einwohnern, das wie eine Oase wirkt. Hier tanken Pilger Kraft, essen, schlafen und füllen Vorräte auf. Die kurze Calle Mayor führt direkt zur N-120, die dich nun weiter begleitet.
Hinter Calzadilla passiert der Camino die Ruinen des ehemaligen Klosters Santa María de las Tiendas, ein Ort, an dem sich einst Mönche um Pilger kümmerten. Danach zieht sich der Weg parallel zur Nationalstraße leicht auf und ab, bis nach 6 weiteren Kilometern Lédigos erreicht wird: ein winziges Dorf, dessen Kirche Santiago und die wenigen Herbergen an die jahrhundertelange Pilgertradition erinnern.
Zwischenorte & Besonderheiten
Ort | Distanz ab Start | Besonderheit | Tipp |
Calzadilla de la Cueza | 17,2 km | Dorf mit 50 Einwohnern, kleine Albergues, Kirche San Martín mit Renaissance-Retabel | Oase nach 17 km Wüste – Pause Pflicht |
Lédigos | 23,4 km | Kleine Jacobeo-Gemeinde, Kirche Santiago | Endpunkt, gute Albergues für Ruhe und Erholung |
Calzadilla de la Cueza – Ein Ort, der Pilger schon im Mittelalter leitete. Besonders sehenswert ist die Kirche San Martín mit ihrem prächtigen Renaissance-Altar.
Lédigos – Winzig, aber gastfreundlich. Typische Adobe-Häuser und die Kirche Santiago machen es zu einem klassischen Pilgerziel.
Pack- & Einkaufstipps
- In Carrión de los Condes unbedingt Proviant und 2–3 Liter Wasser mitnehmen.
- Sonnenschutz (Hut, Sonnencreme, Brille) ist unverzichtbar.
- Snacks wie Nüsse, Obst und Brot helfen über die lange „Wüste“.
- In Calzadilla besteht die erste sichere Möglichkeit zur Einkehr.
Einkehr, Übernachtung & Versorgung
- Carrión de los Condes: Reichlich Infrastruktur, Klosterherbergen (z. B. Santa Clara), Pilgeralbergues, Hotels.
- Calzadilla de la Cueza: Mehrere kleine Albergues (Camino Real, Los Canarios), Bars, Restaurants.
- Lédigos: Albergue El Palomar (traditionell mit Palomar-Bauweise), Albergue La Morena (moderne Ausstattung mit Restaurant).
Das Besondere heute
Diese Etappe führt dich nicht zu einem großen Heiligtum, sondern mitten hinein in das spirituelle Herz der Meseta. Es ist die Leere, die hier zum besonderen Erlebnis wird: Kilometer um Kilometer ohne Ablenkung, nur mit dir selbst und dem Himmel über dir. Viele Pilger berichten, dass gerade diese Stille ihnen einen inneren Spiegel vorhält – eine Herausforderung, aber auch ein Geschenk.
Doch die Etappe beginnt in Carrión de los Condes, einem der geschichtsträchtigsten Orte des Camino Francés. Die Stadt war seit dem Mittelalter ein geistiges Zentrum mit zahlreichen Klöstern und Kirchen. Besonders das Kloster San Zoilo, einst ein bedeutendes Benediktinerkloster, ragt heraus: hier verweilten Könige, Ritter und unzählige Pilger. Die Kreuzgänge mit ihren filigranen Skulpturen erzählen von einer Zeit, als Carrión ein Treffpunkt europäischer Macht und Spiritualität war.
Auch geschichtlich spürbar ist die römische Vía Aquitana, die Burdeos mit Astorga verband. Über 2000 Jahre pilgern, marschieren und reisen Menschen auf derselben Trasse. Jeder Schritt ist damit auch ein Schritt durch die Schichten der Zeit.
Und schließlich sind da die kleinen Oasen wie Calzadilla, die zeigen, dass selbst die kargsten Strecken Orte der Gemeinschaft hervorbringen. Es ist das Paradox dieser Etappe: Leere und Fülle zugleich – erst in der Stille begreift man den Wert der Begegnung.
Reflexion am Etappenende
Am Abend in Lédigos, wenn die Sonne über den Feldern versinkt, magst du das Gefühl haben, den wahren Puls des Camino gespürt zu haben. Kein monumentales Bauwerk, sondern die Stille und Weite der Meseta schenken diese Einsicht: Der Weg selbst ist das Wunder.
📊 Tabellarische Übersicht
Etappe | Start | Ziel | Distanz | Höhenmeter | Schwierigkeit | Zwischenorte |
17 | Carrión de los Condes | Lédigos | 23,4 km | +120 / –110 m | mittel/leicht | Calzadilla de la Cueza |
🌌 Camino der Sterne
Carrión de los Condes → Calzadilla de la Cueza → Lédigos
Hast du schon einmal die berühmte Stille der Meseta erlebt? Teile deine Gedanken – viele Pilger sagen, dass genau hier ihr Camino begonnen hat, „innen“ zu wirken.