
Ein neuer Etappentag – Einstieg & Stimmung
Der Morgen in Belorado erwacht in sanftem Licht. Auf der Plaza Mayor sitzen schon die ersten Einheimischen bei Kaffee, während Pilger mit leisen Schritten ihre Rucksäcke schultern. Noch einmal weht der Duft frisch gebackenen Brotes durch die Straßen, noch einmal begleitet dich das Rauschen des Río Tirón – dann führt dich der Camino hinaus aus der Stadt.
Vor dir liegt eine Etappe, die vom sanften Verlauf durch Dörfer hinauf in die alten Montes de Oca führt – eine Landschaft, die seit Jahrhunderten Pilger formt, und deren Wälder und Steine von einer Geschichte erzählen, die weit über menschliches Maß hinausgeht.

Strecke & Höhenprofil
- Distanz: ca. 24–24,5 km
- Höhenmeter: +440–473 m / –200–236 m
- Schwierigkeit: mittel – der Anstieg nach Villafranca ist die eigentliche Herausforderung, der Rest verläuft auf ruhigen Wegen.
Der Tag verlangt weniger körperliche Härte als innere Ausdauer. Weite Felder, kleine Dörfer, dann der Wald: Die Etappe wechselt wie eine Partitur zwischen ruhigen und kraftvollen Passagen.
Varianten & kleine Abzweigungen
Die Hauptroute führt dich direkt von Belorado nach San Juan de Ortega. Alternativen führen über Agés oder Atapuerca – Orte, die dir Spielraum für eine andere Etappenplanung geben. Doch die meisten Pilger folgen dem klassischen Verlauf: durch die Montes de Oca, hinein in die Stille, die seit Jahrhunderten als Prüfstein gilt.

Beschreibung des Weges – mit allen Sinnen
Hinter Belorado folgst du zunächst der N-120, bevor dich der Camino über eine Holzbrücke über den Río Tirón führt. Dein Blick schweift zurück zum mittelalterlichen Steinbogen, der im Morgenlicht schimmert, dann öffnen sich die Felder. Schon bald erhebt sich über dem Dorf Tosantos die Ermita Virgen de la Peña. Hoch in die Felsen gehauen, wacht sie über das Tal. Seit Jahrhunderten wird hier die Jungfrau verehrt, und noch heute tragen die Dorfbewohner sie am 9. September in einer feierlichen Prozession hinauf zur Kapelle. Der Anblick dieser Felsenkirche ist ein stilles Wunder – ein Ort, an dem Landschaft und Glaube eins werden.
In Villambistia empfängt dich die Quelle mit ihren vier Strahlen, deren Wasser der Überlieferung nach Kraft und Heilung schenkt. Gleich daneben liegt die Bar San Roque, wo ein Kaffee, ein Glas Wasser und ein freundliches Wort neue Energie schenken.
Wenig später erreichst du Espinosa del Camino. Die kleine Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt birgt eine prächtige Renaissancekapelle mit Sterngewölbe, erbaut 1544 von Juan de Landeras und Juan de Carasa. Ihre Errichtung kostete damals 40.000 Maravedíes – ein Vermögen für ein Dorf dieser Größe. Zwischen den alten Fachwerkhäusern spürst du, wie ländliche Architektur hier noch lebendig ist. Kurz hinter dem Ort tauchen die Ruinen des Klosters San Felices auf. Nur eine Apsis ragt in den Himmel, doch sie erzählt eine große Geschichte: Hier soll Graf Diego Rodríguez Porcelos, Gründer der Stadt Burgos, bestattet sein. 1409 wurde die mozarabische Gemeinschaft, die hier lebte, dem Kloster San Millán de la Cogolla angegliedert. Ein ehrwürdiger, stiller Ort, der dich unweigerlich zum Verweilen einlädt.
Dann erreichst du Villafranca Montes de Oca, einst Bischofssitz, heute kleines Dorf mit Hospital, Bars, Läden und Herbergen. Hier endet die Ebene – und der Aufstieg beginnt. Doch kurz hinter dem Dorf eröffnet sich ein ganz besonderer Anblick: der Presa de Alba, ein stiller Stausee am Río Oca, eingebettet zwischen Wald und Felsen. Ein Ort, an dem nicht nur Ruhe herrscht, sondern auch die Erde selbst ihre Geschichte preisgibt: Die umliegenden Gesteinsformationen sind über 500 Millionen Jahre alt. Sie stammen aus den Tiefen des Iberischen Massivs und erinnern daran, dass dieser Camino nicht nur durch Jahrhunderte menschlicher Geschichte führt, sondern auch durch Jahrmillionen der Erde.
Mit diesem Bewusstsein im Herzen beginnt der eigentliche Aufstieg: 200 Höhenmeter durch die Montes de Oca. Die Quelle Mojapán plätschert am Wegesrand, später erinnert ein Denkmal an die Opfer des Bürgerkriegs. Kiefern und Eichen spenden Schatten, das Harz erfüllt die Luft, und nur das Knirschen deiner Schritte und das Rauschen des Windes begleiten dich. Hier, wo einst Räuber Pilger bedrohten, herrscht heute die Stille des Waldes – eine Stille, die dich prüft und verwandelt.
Schließlich lichtet sich der Wald. Vor dir liegt San Juan de Ortega, das romanische Kloster des heiligen Weggefährten von Santo Domingo. Sein Herzstück ist die Kirche mit dem berühmten Lichtwunder: Zur Tag- und Nachtgleiche fällt ein einzelner Sonnenstrahl auf das Kapitell der Verkündigung – ein Zusammenspiel von Architektur und Kosmos, das Himmel und Erde verbindet. Ein stiller, heiliger Ort, an dem du dich unweigerlich in die Kette unzähliger Pilger einreihst, die hier innegehalten haben.

Zwischenorte & Besonderheiten
Ort | Distanz ab Start | Besonderheit | Tipp |
Tosantos | ca. 5 km | Ermita Virgen de la Peña | Blick zum Felsen heben |
Villambistia | ca. 7 km | Quelle, Bar, Kirche San Esteban | Rast und Kraft tanken |
Espinosa del Camino | ca. 9 km | Kirche, Fachwerkhäuser, Kloster San Felices | Historisches innehalten |
Villafranca Montes de Oca | ca. 12 km | Hospital, Bars, Startpunkt des Aufstiegs | Proviant auffüllen |
Presa de Alba | ca. 13–14 km | Stausee, geologische Formation, 500 Mio. Jahre alte Gesteine | Erdgeschichte erleben |
Montes de Oca – Wald | ca. 20 km | Kiefern, Quelle Mojapán, Denkmäler | Natur mit allen Sinnen |
San Juan de Ortega | ca. 24 km | Romanisches Kloster, Lichtwunder | Ankunft voller Spiritualität |

Pack- & Einkaufstipps
- Versorgung: Bars in Tosantos, Villambistia, Espinosa und Villafranca. Danach lange keine Möglichkeit mehr.
- Tipp: In Villafranca Wasser und Proviant auffüllen – für den Waldabschnitt und eventuelle Verweilzeit am Presa de Alba.
- Mitnehmen: Sonnenhut, warme Schicht für den Wald, Wanderstöcke für den Anstieg.
Einkehr, Übernachtung & Versorgung
- Tosantos: Parroquial-Albergue San Francisco de Asís (Donativo)
- Villambistia: Albergue San Roque
- Espinosa: Casa Las Almas, Albergue La Taberna
- Villafranca: Historisches Albergue San Antón Abad, kommunale Herberge
- San Juan de Ortega: Klosterherberge, kleine Pensionen, Albergue El Descanso
Das Besondere heute
Die Etappe ist ein Weg der Übergänge: von Feldern zu Dörfern, von Quellen zu Klosterruinen, von Alltagsgeschichte zu Erdgeschichte. Am Presa de Alba verschmelzen Millionen Jahre alte Gesteine mit der Gegenwart des Pilgerns – und am Ende vereint San Juan de Ortega Himmel und Erde im Wunder des Lichts.
Reflexion am Etappenende
Wenn du im Klosterhof stehst, umgeben von Wäldern und Steinen, die älter sind als jede Pilgertradition, dann magst du dich fragen:
„Was trägt mich mehr – die Geschichten der Menschen oder die Stimmen der Erde, die seit Anbeginn hier sprechen?“
📊 Tabellarische Übersicht
Etappe | Start | Ziel | Distanz | Höhenmeter | Schwierigkeit | Zwischenorte |
12 | Belorado | San Juan de Ortega | ca. 24 km | +440–473 m / –200–236 m | mittel | Tosantos, Villambistia, Espinosa, Villafranca, Presa de Alba, Montes de Oca, San Juan de Ortega |
🌌 Camino der Sterne
Belorado → Tosantos → Villambistia → Espinosa del Camino → Villafranca Montes de Oca → Presa de Alba → Montes de Oca → San Juan de Ortega
Hat dich diese Etappe inspiriert? Oder hast du den Presa de Alba schon besucht und eigene Eindrücke gesammelt? Teile deine Erfahrungen – jede Stimme macht den Camino lebendiger.
