
Ein neuer Etappentag – Einstieg & Stimmung
Der Tag in Santo Domingo de la Calzada beginnt im Zwielicht der frühen Stunden. Die Glocken der Kathedrale hallen über den Platz, wo schon seit Jahrhunderten Pilger ihre Reise fortsetzen. Vor den Cafés klappern die ersten Tassen, der Duft von Churros und Kaffee steigt in die engen Gassen, und die geschnitzten Balkone werfen lange Schatten auf das Kopfsteinpflaster.
Du gehst durch das Stadttor hinaus – jenes Tor, das dich fort trägt, aus der Welt der Legenden um Hahn und Henne. Noch einmal siehst du die Türme der Stadt hinter dir, dann öffnet sich die Ebene. Schritt für Schritt verschwindet die Enge, und du atmest tiefer. Vor dir breitet sich ein Tag aus, der weniger Kampf gegen Höhenmeter ist, sondern vielmehr ein stiller Tanz mit der Weite.
Strecke & Höhenprofil
- Distanz: ca. 22,7 km
- Höhenmeter: +350 m / –244 m
- Schwierigkeit: leicht bis mittel – sanfte Hügel, längere Geradeaus-Passagen, kurze Abschnitte entlang der Straße.
Die Zahlen dieser Etappe wirken unspektakulär. Doch genau darin liegt ihre Besonderheit: Hier zeigt der Camino, dass nicht nur Gipfel und Pässe das Herz bewegen, sondern auch das gleichmäßige Schreiten durch Felder und Weite. Die Ebene fordert Geduld – und schenkt den Blick für Details: ein Falke, der kreist, ein Windstoß, der die Gerste zum Wogen bringt, ein Gespräch mit dem eigenen Atem.

Varianten & kleine Abzweigungen
Die Hauptroute führt dich ohne große Umwege durch kleine Orte. Doch es gibt Möglichkeiten, den Weg leicht zu verändern:
- Abstecher zum Albergue de Carrasquedo bei Grañón – eine stille Herberge im Wald, die wie eine Oase wirkt.
- Straßennähe: Die N-120 begleitet den Camino streckenweise, doch kleinere Schlenker ins Feld geben dir Momente der Ruhe.
Es sind keine großen Abzweigungen, eher kleine Entscheidungen – und manchmal reicht schon der Wechsel des Blicks, um den Tag neu zu erleben.
Beschreibung des Weges – mit allen Sinnen
Du verlässt Santo Domingo und überquerst die Brücke über den Río Oja – das Wasser fließt ruhig dahin, als wolle es dir einen sanften Start schenken. Hinter dir bleiben die roten Dächer, vor dir weitet sich die Landschaft.
Nach sechs Kilometern erreichst du Grañón, ein Dorf, das wie ein Wächter am Übergang steht. Seine Kirche San Juan überragt die Dächer, und in der berühmten Pfarralbergue erlebst du eine Gemeinschaft, die vielen Pilgern in Erinnerung bleibt. Hinter dem Ort überquerst du eine unscheinbare Grenze – und doch ist sie von Bedeutung: Du verlässt die Provinz La Rioja und betrittst Kastilien-León. Von hier an, bis weit hinter León und hinauf nach O Cebreiro, führt dich der Camino durch dieses weite, geschichtsträchtige Land.
Das erste Dorf auf kastilischem Boden ist Redecilla del Camino. Dort findest du ein romanisches Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert – wie ein steinernes Zeugnis unzähliger Pilgergenerationen.
Der Weg schlängelt sich weiter nach Castildelgado, still und klein, mit Häusern, die Geschichten flüstern. Dann erreichst du Viloria de Rioja, den Geburtsort von Santo Domingo. Hier, wo das Leben des Heiligen begann verweilst du vielleicht länger – in der Stille des Dorfes scheint der Geist des Mannes, der Brücken und Straßen für Pilger baute, immer noch zugegen.
Kurz vor dem Ziel liegt Villamayor del Río, das „Dorf der drei Lügen“ – weder „groß“, noch eine „Stadt“, noch „am Fluss“. Ein humorvoller Name, der Pilger seit Jahrhunderten schmunzeln lässt. Die letzten Kilometer führen dich durch offene Felder bis nach Belorado. Der Ort empfängt dich mit engen Gassen, den Resten einer alten Burg, mehreren Kirchen und einer langen Pilgertradition, die bis ins Mittelalter reicht.

Zwischenorte & Besonderheiten
Ort | Distanz ab Start | Besonderheit | Tipp |
Grañón | ca. 6 km | Kirche San Juan, berühmtes Pfarralbergue | Gemeinschaft erleben |
Redecilla del Camino | ca. 11 km | Romanisches Taufbecken (12. Jh.) | Foto- und Kulturstopp |
Castildelgado | ca. 14 km | Kleines, ruhiges Dorf | Kurze Pause |
Viloria de Rioja | ca. 16 km | Geburtsort Santo Domingos | Historische Tiefe spüren |
Villamayor del Río | ca. 20 km | „Dorf der drei Lügen“ | Humor am Wegesrand |
Belorado | 22,7 km | Mittelalterliche Stadt mit Burgresten | Etappenstopp mit vielen Herbergen |
Pack- & Einkaufstipps
- Versorgung: Bars und kleine Läden in Santo Domingo, Grañón, Redecilla, Belorado.
- Wasser: Immer wieder Quellen und Bars, dennoch Flaschen rechtzeitig auffüllen.
- Mitnehmen: Sonnenhut, Proviant, kleine Stärkung für die langen Geraden.
„Manchmal trägt dich ein Apfel aus Redecilla weiter als jeder Energieriegel“ – diese Etappe lebt von Einfachheit.
Einkehr, Übernachtung & Versorgung
Die Auswahl an Herbergen ist groß:
- Grañón – bekannt für die dortige Pfarralbergue mit spiritueller Atmosphäre.
- Viloria de Rioja – die Herberge von Acacio y Orietta, ein Ort der Ruhe und Begegnung.
- Belorado – mit zahlreichen Unterkünften, von der großen Herberge Cuatro Cantones bis zu kleineren Gasthäusern.
Jede Herberge erzählt eine andere Geschichte – und manchmal ist es das Gespräch am Tisch, das dir mehr gibt als jedes weiche Bett.
Das Besondere heute
Diese Etappe ist ein Übergang – nicht nur geographisch, sondern auch innerlich. Du verlässt La Rioja mit ihrem Wein und ihren Legenden und trittst ein in die weite, geschichtsträchtige Welt Kastiliens. Redecilla, Viloria und Belorado tragen diese Geschichten in ihren Mauern: romanische Taufsteine, Geburtsorte von Heiligen, mittelalterliche Mauern.
Reflexion am Etappenende
Wenn du abends durch die Straßen von Belorado gehst und die Burgreste im Abendlicht siehst, magst du dich fragen: „War es heute die Weite der Felder, die dich prägte – oder die kleinen Geschichten der Orte, die dir am Weg begegneten?“
📊 Tabellarische Übersicht
Etappe | Start | Ziel | Distanz | Höhenmeter | Schwierigkeit | Zwischenorte |
10 | Santo Domingo de la Calzada | Belorado | 22,7 km | +350 m / –244 m | leicht–mittel | Grañón, Redecilla, Castildelgado, Viloria, Villamayor |
🌌 Camino der Sterne
Santo Domingo de la Calzada → Grañón → Redecilla del Camino → Castildelgado → Viloria de Rioja → Villamayor del Río → Belorado
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