“Das Hotel Áncora in Fisterra symbolisiert die ästhetischen Transformationen, die in Fisterra stattfinden, wo sanfte Farbwinde eine neue Palette an die Stadtmauern bringen. Es verkörpert den Wandel und verleiht dem Ort mit seiner modernisierten Fassade einen frischen und zeitgemäßen Ausdruck.”
von Steffen A. Pfeiffer (alias Investigasteve)
Gestatten Sie mir bitte, dass ich mich vorstelle. Ich heiße Steffen und ich bin ein Fotojournalist aus Deutschland, den es mit den Pilgerwegen durch Orient und Okzident nach Fisterra, ans Ende der Welt und der Heimat des legendären Drachenbergs ‚Monte Pindo‘ gezogen hat. Meine Pinsel sind die Sprachen, meine Farben sind die Worte. Von der atlantikblauen Welt von Fisterra, wo die Winde des Schicksals und des Lebens ebenso launisch wehen wie die Meeresbrisen, beginne ich die unter Anderem hier die Geschichte vom Melodiewind flüsternden Farbenflüsterer Richy Loker, der …
Fisterra, die Leinwand des Lebens
…. eines Tages betrat, um seine handcolorierende Spur zu hinterlassen. Es ist ein Ort, der durch seine Geschichte, die bis in lang vergangene und teils in den Schatten der Vergessenheit geratene Zeit zurück reicht. Hier sind seit Anbeginn ihrer Präsenz Menschen am Werk, die der Region und dem Wetter mit harter Arbeit und einem gerüttelt Maß an Kreativität viel abgerungen haben. Es ist ein Fischerort, mit Menschen einer reichen und farbenfrohen Sprache. Die jedoch genauso wortkarg gemeinsam leben. Über die Zeiten kamen, wirkten und vergingen viele Künstler und kreative Köpfe, Erfinder und kreative Menschenfreunde.
Auf ihre lokale und regionale Poesie sind die Menschen ebenso stolz, wie auf ihre Söhne und Töchter. Und manchmal auch auf ihre adoptierten Zugereisten. In der Vergangenheit waren es die ersten Fischer, die mittels Seil und Steinen Messpendel entwickelten und so die Meerestiefe der Buchten vor Fisterra und der Umgebung vermaßen und auch kartographierten. Damit bestimmten sie zu ihrer Zeit, welche Art von Meerestieren und -früchten heimisch waren und welche Arten saisonal durchzogen. Es waren auch Vorläufer der Sextanten und ‚Echoloten‘ dabei, die wir heute als GPS und Sonar wie selbstverständlich wahrnehmen.
In der Gegenwart sind es Söhne und Töchter, die in Theater und Film mit Preisen von sich reden machen, wie auch von Söhnen, die den Tischfußball erfunden haben oder studierte Philologen sind und Wert darauf legen die reiche Sprache, den Wortschatz, zu pflegen und zu erhalten sowie deren Entwicklung zu dokumentieren.
Estíbaliz von Ancóra
Die Notwendigkeiten der Vergangenheit verlangten von den Menschen immer wieder aufs Neue kreativ zu sein und sich neu zu erfinden. Mit der Technologie und den Möglichkeiten aktueller Tage verschwand bei Manchen genau diese Notwendigkeit oder das Bewusstsein dazu.
Doch gibt es immer wieder Menschen, die außerhalb dieser Quadrate, Schachteln und Schubladen denken, fühlen und leben. Es ist die tiefe Sehnsucht nach Erhalt und der Kreation von Erinnerungen und Schönem. So ist es auch Estíbaliz Lopez, die Eigentümerin des Hotels Ancóra in Fisterra. Sie preist und fördert Künstler unabhängig ihrer Richtung, wenn es ihr von Wert erscheint und alles Gute und Schöne ist für sie von Wert. So auch die Erinnerung. Doch hierzu später noch etwas mehr Worte.
Erinnerungen verblassen und verbleiben …
… je nach ihrem Wert für Einzelne. Und Erinnerungen sind oft emotional greifbar, auch wenn man die Art der Emotion gedanklich erst nicht erfassen kann. Sicher kennst Du wie fast Jeder das Gefühl, das Du hast, wenn Du einen, für Dich unersetzbaren, Menschen vermisst. Das Gefühl dazu lässt sich schwer beschreiben. Jedoch drückt sich dieses Unbeschreibbare dar oft in Gefühlen aus, die Einen wünschen lassen, dass man gewisse Ereignisse gerne wiederholen möchte oder den Menschen nochmals sehen. Wie ich diese Zeilen schreibe, schaue ich auf eine persönliche Fotographie, die rund 115 Jahre alt ist und meinen Großvater als 10-jährigen Jungen, zur Zeit Kaiser Wilhelms im Deutschen Kaiserreich, zeigt. Einfach um diesen Mann, der die ersten 21 Jahre meines Lebens entscheidend prägte, in Erinnerung zu behalten. Und diese Gefühle können durch Worte, wie auch die graphische Kunst der Malerei, geweckt werden.
“Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.”
– Gustav Mahler, Komponist
Ricardo (Richy Loker), der Farbenflüsterer und Gemäldekomponist …
… trat eines Tages, wie aus dem neonleuchtenden Nirwana der Großstadtlichter Madrids, ins Licht des Lebens von Fisterra, dieser Perle an der atlantikblauen Küste der ‚Costa da Morte‘. Zuerst unauffällig, jedoch mit einer reichen und bunten Explosion der Farben an der Mauer zur Grundschule und des anliegenden Kindergartens, war seine Kunst direkt in aller Munde. Die Menschen begannen von der Farbenpracht zu erzählen. Einige, die Ricardo zu dem Zeitpunkt kennenlernten, bekamen einen Glanz in die Augen, wie man ihn nur in Momenten der Erinnerungen hat, die man gerne nochmals leben möchte.
Doch dieses Vermissen, ist nicht das Vermissen der Menschen aus der Erinnerung, sondern einfach der Situation, der Erlebnisse und der Emotionen von einst und vergangenen Tagen, die man hatte und welche heute aufs Neue, in ihrer Art unbeschreibbar, aufflammen.
Doch Richy schaffte es mittels der Kunst direkt das Herz zu erreichen. Zu meinem Part als Erzähler erstaunte mich dies. Persönlich traf ich Ricardo an anderer denkwürdiger Stelle. Einem maritimen Restaurant, am Hafen von Fisterra gelegen, dessen Fassade immer schon durch seine Art der Fenster an ein Piratenschiff erinnerte und dessen Name sinnigerweise auch ‚O Pirata‘ heißt.
Er war gerade dabei mit seinen aus Sprühdosen entweichenden Farbwinden, die Geschichte der Kapitänskajüte, an die Hauswand zu flüstern. Und das Gespräch mit ihm tags darauf, als er sein transformierendes Handwerk beendet hatte, war ebenso sprach- und gedankenreich, wie wortkarg. Jedoch gab es mir das Gefühl, das ich es lernen und erfassen vermag, mit Worten so umzugehen, wie er mit Farben und Pinsel.
Es gibt noch weitere Farbflüstereien in Fisterra, …
… die es lohnen persönlich entdeckt zu werden, um ihre Geschichten samt Poesie zu interpretieren. Denn diese Farbflüstereien waren es, deren Blitz der Inspiration Estíbaliz traf und die Hausfassade des Hotel ‚Ancóra‘ als Erinnerung an Familie, Tradition und Emotion gestalten zu lassen. So war sie es, die Ricardo einlud der Hotelfassade die Erinnerung an geliebte, vergangene Menschen und deren Fischertradition vor dem für Fisterra typischen farbenfrohen Sonnenuntergang einhauchen und flüstern zu lassen.
Und auch Estíbaliz war es, die für sich diesen Wert erkannte und somit mit uns teilen wollte. Damit diese vermeintlich kleinen Erinnerungen nochmals im Licht der untergehenden Sonne, großen Eindruck hinterlassen und uns alle daran erinnern, dass Kreativität und Bildung außerhalb der Schule stattfinden. Dort ist der Ort des Wissens. Wissen wird jedoch erst durch das Herz und die Kraft der Imagination und Kreativität greifbar und bleibt dadurch dauerhaft im Gedächtnis.
Wie die Geschichte weitergeht, magst Du Dich jetzt fragen?
Offen gesagt, ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber Du, lieber Leser, fühl Dich eingeladen hierherzukommen, die Perle namens Fisterra selbst zu sehen, zu erfassen und Deine Geschichte als Kapitel hier zu hinterlassen. Was ich jedoch weiß, ist das schon einige Menschen hier, am sogenannten Ende der Welt, ankamen und dieses zu ihrem Beginn machten und gleichwohl ihre Pilgerreise hier begonnen haben.
Ich wünsche jedem einen Guten Weg oder ‚Buen Camino‘ wie der Gruß auf dem Jakobsweg gesagt wird. Und dies unabhängig in welche Richtung Dein Camino des Lebens Dich weiterführen mag. Tu‘ was Du tust jedoch immer mit Deinem Herzen. Denn es sind immer die Ohren, die hören wollen, was das Herz längst verinnerlicht hat und weiß.